Bahnübergänge und ihre Beschilderung: Warum Zeichen 205 und 206 nicht ausreichend sind

Im Rahmen meiner gutachterlichen Praxis und angesichts aktueller Diskussionen zur Sicherheit und Ausgestaltung von Bahnübergängen nach BOStrab taucht häufig die Frage auf, ob die Verkehrszeichen 205 („Vorfahrt gewähren“) und 206 („Halt. Vorfahrt gewähren“) anstelle des Andreaskreuzes (Zeichen 201) den Vorrang an Bahnübergängen regeln können. Im Folgenden erläutere ich, weshalb dies unzulässig ist und welche Regelungen zulässig sind.

1. Rechtliche Grundlagen: StVO und BOStrab

  • Nach § 19 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) wird der Vorrang des Schienenverkehrs an Bahnübergängen über Straßen ausschließlich durch das Andreaskreuz (Zeichen 201) geregelt.
  • Die BOStrab-Novelle 2016 hat diese Systematik verschärft: Für Straßenbahnen auf besonderen und unabhängigen Bahnkörpern ergibt sich der Vorrang ausdrücklich „soweit die Straßenverkehrs-Ordnung dies bestimmt“. Die StVO verweist dabei in der Spezialregelung explizit auf das Andreaskreuz als notwendiges Zeichen.

2. Verkehrs- und Haftungssicherheit

Eine Beschilderung mit Zeichen 205 und 206 statt Andreaskreuz steht der aktuellen und veränderten Regelung entgegen. Im Schadensfall wird geprüft, ob die Beschilderung den Vorgaben entsprach, Abweichungen können eine Mitverantwortung der zuständigen Behörden begründen.

3. Praxisbeispiele

Gelegentlich begegnet man Ausnahmen, etwa durch Zusatzzeichen wie „Straßenbahn hat Vorrang“ unter Zeichen 205. Solche Lösungen sind jedoch im Verkehrszeichenkatalog nicht als Standard vorgesehen und bewegen sich in einem Graubereich. Sie widersprechen dem Grundsatz einer klaren und einheitlichen Verkehrsregelung. Ähnliches gilt für die Verkehrszeichenkombination aus 205 mit Zusatzzeichen 1048-19 (Sinnbild Straßenbahn) an Bahnübergängen an besonderen Bahnkörpern. Diese Kombination ist nach der Neuregelung nur noch im Bereich straßenbündiger Bahnkörper zulässig, da es auch hier nach § 19 StVO an einer Regelung fehlt.

4. Fazit und Empfehlung

Aus sachverständiger Sicht gibt es für Bahnübergänge über Straßen derzeit keine zulässige Alternative zum Andreaskreuz (Zeichen 201), wenn der Vorrang der Straßenbahn eindeutig geregelt werden soll. Zeichen 205 und 206 sind im Kontext eines Bahnübergangs generell ungeeignet, da beide das Vorrecht beim Zusammentreffen mehrerer zusammentreffender öffentlichen Straßen regeln. Gegenüber der Kreuzung zwischen Straße und Schiene treffen sie keine Aussage und stehen daher im Widerspruch zu geltendem Recht.

Empfehlung:
Bei der Beschilderung von Bahnübergängen ist konsequent das Andreaskreuz zu verwenden. Dies gewährleistet Rechtssicherheit, Verkehrssicherheit und eine einheitliche Signalgebung. Von experimentellen Mischlösungen oder alternativen Beschilderungen ist dringend abzuraten. Alternativ sollte das generelle Vorrecht von Straßenbahnen gesetzlich festgeschrieben werden.

Als Sachverständiger für Bahnübergänge nach BOStrab stehe ich für Rückfragen oder weiterführende Gutachten gerne zur Verfügung.

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